
Bin ich die einzige, die rein zufällig davon erfahren hat?
Meine Oma hat mit ihrer Freundin Tabletten getauscht. Dir ist schwindelig? Mir auch. Hier, probier die mal.
„Dat het de doctor mi geven.“
Sowas hätte sie gesagt.
Heute Morgen habe ich bei meiner Osteologin gelegen – und musste an meine Oma denken. Weil ich ein Medikament bekommen habe, bei dem ich das Bedürfnis habe, es allen anderen Ex-Brustkrebspatientinnen in die Hand zu drücken.
„Dat het mien doctor mi geven.“
Ein Medikament, bei dem ich das Bedürfnis habe, allen anderen davon zu erzählen. Und im gleichen Moment frage ich mich, ob nur ich es bin, die nichts davon wusste.
Ich habe heute zum ersten Mal etwas bekommen, was nicht in meinem Therapieplan stand. Und wovon ich nur erfahren habe, weil ich zur Knochendichtemessung gegangen bin (die im Therapieplan stand). Und weil meine Osteologin, die die Knochendichtemessung gemacht hat, gesagt hat: „Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mir das sofort spritzen. Prophylaktisch.“
Es geht um Bisphosphonate. Zoledronsäure.
Und nun kommt der Part, an dem ich sage, dass ich weder Ärztin noch Therapeutin oder dergleichen bin, und dass das hier keine Empfehlung, kein medizinischer Rat oder dergleichen ist. Sondern nur meine Geschichte.
Ich kopiere euch hier aber rein, was ich beim Krebsinformationsdienst gelesen habe:
//
„Mit Bisphosphonaten und Denosumab Knochenmetastasen verhindern?
Die Arzneimittelbehörden haben Bisphosphonate oder Denosumab bisher nicht dafür zugelassen, Knochenmetastasen vorzubeugen.
Ob Bisphosphonate oder Denosumab Rückfälle oder Metastasen verhindern können, untersuchen Forschende aktuell in klinischen Studien.
Bei Brustkrebs schon empfohlen: Verschiedene deutsche Fachgesellschaften empfehlen trotz fehlender Zulassung, bei bestimmten Brustkrebspatientinnen Bisphosphonate oder Denosumab ergänzend einzusetzen. Das soll die Prognose der betroffenen Frauen verbessern.
Setzen Ärztinnen oder Ärzte Bisphosphonate beziehungsweise Denosumab zu diesem Zweck ein, handelt es sich um einen sogenannten Off-Label-Use. Bei einem Off-Label-Use sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht verpflichtet, die Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Mehr zum gesetzlichen Hintergrund, die Folgen und die Kostenübernahme lesen Sie in dem Text Chance oder Risiko: Einsatz nicht zugelassener Medikamente zur Krebstherapie.“
//
Ich habe alle Ärztinnen in meinem Netzwerk vor der ersten Infusion heute dazu befragt. Und alle haben es mir empfohlen. Aber nur auf Nachfrage. Nicht von sich aus.
Es heißt, dass Bisphosphonate das Knochenmetastasenrisiko senken können. Für wen das gilt, weiß ich nicht. Ob’s was hilft, weiß ich nicht. Aber wenn es etwas gibt, was vielleicht meine „Prognose“ verbessert, was vielleicht die Gefahr von Knochenmetastasen verringert, dann will ich das haben. Dann probiere ich das aus. Und dann zahle ich es auch liebend gern selbst.
Drei Jahre lang bekomme ich nun diese Infusionen. Zweimal im Jahr. Und ich habe unterschrieben, dass ich es bin, die diese Behandlung haben will.
Off-Label-Use.
Bisphosphonate.
Zoledronsäure.
Guckt es euch an, wenn es euch interessiert. 🙂
//
Ich hätte übrigens gern eine Liste mit allen Off-Label-Use- und sonstigen Jenseits-der-klassischen-Agenda-Behandlungsoptionen auf einen Blick. Damit ich diese Liste mit meinen ganzen Ärztinnen durchgehen und sie fragen kann, was davon für mich eine Option sein könnte. Was mir vielleicht helfen könnte. Auch wenn’s Off-Label-Use ist, auch wenn’s nicht in den Leitlinien steht, auch wenn’s keine Standardbehandlung ist.
Sonst bin ich als Patientin gefühlt viel zu sehr von Momenten in Praxen abhängig. Davon, was Ärztinnen mir sagen. Oder davon, was ich zufällig irgendwo lese und von anderen höre.
Jedwede Regress- oder sonstwas für Ansprüche lassen sich doch sicher mit ein paar juristischen Formulierungen schnell ausschließen. Formulierungen, die klarstellen, dass alles auf eigenen Willen, eigene Gefahr, eigene Verantwortung oder wie auch immer geschieht.
//
Die letzten Tage waren intensiv. Voller Flashbacks. Und es war krass, das erste Mal nach der Chemo und der ersten Antikörper-Behandlung (die ich mir übrigens subkutan spritzen lasse – eine Option, von der ich online gelesen hatte und die ich viel besser vertrage als die Infusion) wieder am Tropf zu hängen. Und vorab nur zu wissen, dass es sein kann, dass es mir morgen schlecht geht. Dass ich morgen Nebenwirkungen bekommen könnte. Welche auch immer und wie starke auch immer. Es kann auch sein, dass es mir morgen gut geht und ich nichts merke. Und dass ich normal arbeiten kann.
Ich habe sicherheitshalber für die nächsten Tage kaum Kundentermine angenommen. Wie damals. Rein vorsorglich. Nur die nötigsten habe ich im Kalender stehen. Damit ich im Zweifelsfall, falls ich starke Nebenwirkungen bekommen sollte, schnell in die Ruhepause komme und mich erholen kann.
#Selbstständigkeit #Flashbacks
Aber das sind andere Geschichten.
Heute geht’s um Off-Label-Use. Und Bisphosphonate. Und die Gestaltung des eigenen Weges.

Wenn es etwas gibt, was vielleicht meine „Prognose“ verbessert, was vielleicht die Gefahr von Knochenmetastasen verringert, dann will ich das haben.



mehr aus dem Blog
Wenn das Rezidiv trotzdem kommt
Gestern hat mir eine Freundin erzählt, dass ihre Schwester ein Rezidiv bekommen hat. Gleiche Tumor-Art, die Therapie wird jetzt angepasst. Medizinisch mag das simpel klingen. Psychisch ist das der Worst Case, glaube ich.
#business #stories: Kontrolluntersuchungen können das Revival der Hölle sein
Diese Woche hatte ich einen meiner Kontrolltermine. Und natürlich habe ich beim Rausgehen aus der Kabine nicht die Augen zugemacht sondern einen blitzschnellen Miniblick auf den Monitor der Ärztin geworfen. Schön blöd. Als ob ich da was erkennen würde… Das einzige, was ich gesehen habe, waren kleine dunkle Fleckchen. Ein Mini-Blick – und er reicht, um mich in die Staging-Zeit zurück zu katapultieren. Kontrolluntersuchungen können innerhalb weniger Sekunden vom routinierten Standardtermin zum Revival der Hölle werden.
News
Ich bekomme täglich die ganzen Google Alerts zu Krebsthemen in meinen Posteingang. Und manchmal sind zwischen all den „Schock! Person XY hat Krebs!“-Meldungen Artikel, die ich sofort teilen möchte. In denen es um Forschungserfolge geht. Um neue Studien, neue Medikamente, neue Behandlungsmethoden. Um Fortschritt. Um neue Perspektiven. Um Hoffnung.
Team Krebs
Fast die Hälfte aller Menschen bekommt irgendwann Krebs. Stellt Euch vor, wir würden alle zusammenstehen. Und dann zählen wir ab. A-B-A-B-A-B-A-B… Jede:r zweite kommt in Mannschaft A, ins Team Krebs. Und die anderen Zweiten ins Team Kein-Krebs. Die Frage ist: In welchem Team bist du? Bist Du in Team A oder in Team B?
EINE VON ACHT ist ein Buch von Martina Racz, ein Film von Sabine Derflinger, ein Hashtag – und ein Projekt von Rebecka Heinz